Dienstag, 23. Juli 2013

Schwebend


Wir spielen ja schon seit ca 3 Jahren mit Seilen, aber unser Wissen haben wir uns durch Youtube und Bücher beigebracht. Jetzt bot sich die Gelegenheit einen Bondagekurs bei einem bekannten Rigger in der Nähe zu machen. Ich meldete uns an und bald darauf waren wir aktiv am Start.

Ich habe Angst! So was Blödes! Am Morgen hatten wir schon ein ausführliches Gespräch im Bett, in dem wir zu ergründen versuchten warum. Ich weiß es nicht, schließlich bin ich es, die uns angemeldet hat.

Felix lächelt mir aufmunternd zu, als wir die Treppe ins Dämmerlicht steigen. Einige Kursteilnehmer sind schon da und die Partnerin unseres Kursleiters macht ein Häkchen an unserem Namen, als wir ihr das Geld hinlegen. Sie ist es, die Bondage-Partnerin, die mit ihm letztes Jahr auf der Boundcon in München eine gigantische Vorstellung hingelegt hat. Nicht nur als Fesselopfer, sondern als Kommunikationspartnerin, Gespielin, Partnerin. Mich durchläuft immer noch ein wohlig erotisches Gefühl, wenn ich an dieses prickelnde Spiel denke, das die Beiden da auf der Bühne gezeigt hatten.

Gleich geht es mir viel besser und als alle gefühlte 15 Paare im Raum sind und der Meister die Einführung gibt, ist jeglicher Bammel vergessen. Er ist ein sehr in sich ruhender Mensch, der trotzdem den Schalk in den Augen hat. Die beiden führen ein kleines Fesselbeispiel mit Suspension vor und es geht ruck zuck - die Dame schwebt und es ist wieder sehr schön ihnen zu zuschauen.

Wir beginnen alle mit den Basics, mal bindet Felix mich, mal ich ihn. Es wird jedes Mal kontrolliert, ob wir Fehler in unserem Seilgeflecht haben uns gezeigt wie wir es besser machen könnten. So vergeht die Zeit rasend und schnell ist der erste Teil unseres Kurses vorbei.

Nach einer kurzen Pause geht es weiter, einen Kaffee haben wir intus, Mittagessen hat irgendwie nicht gereicht, ist auch nicht wichtig heute. Wir sind heiß darauf weiter zu machen.

Zum Glück sind es jetzt weniger Paare, nur 5 an der Zahl, deshalb ist die Luft nicht so dick und jedes Paar hat ausreichend Platz. Wir lernen den Takatekote, eine Standard-Oberkörperfesselung, vielmehr Felix lernt ihn, denn das Lerntempo geht jetzt viel schneller, weil wir unter Fortgeschrittenen sind.

Ich lasse ihm den Vortritt und die aktive Rolle, denn er ist der Erfahrenere. Außerdem lasse ich mich viel zu gerne fesseln. Der Takatekote oder eine Variante davon sind die Basis für eine Aufhängung und das allein lässt mein Herz schon höher schlagen. Wieder ist mir mulmig. Gedanken, wie: „Ich bin doch viel zu groß und schwer“ und „Mensch, ich bin hier die Älteste“ drängen sich durch meinen Kopf, aber je länger mich Felix verknotet, entknotet, übt und es immer besser macht, werde ich ruhiger und zuversichtlicher. Die Erste, die gehängt wird ist eine Frau, die mit ihrem Partner auch schon den Vormittagskursteil besucht hat. Alle anderen sind neu dazugekommen. Als die kleine blonde Frau zu schweben beginnt, breitet sich ein Lächeln auf dem Gesicht aus und alle können sehen, wie schön sie ist. Vorher ist uns das gar nicht so aufgefallen. Ich schaue sie an und spüre keine Angst mehr, nur noch Freude und Zuversicht.

Im Kurs ist auch eine junge Frau, etwas älter als unsere Tochter, aber noch keine dreißig, mit ihrem Bondagepartner. Sie ist sehr beweglich und hat einen schön ausgeglichenen Körperbau. Weil ihr Partner Schwierigkeiten hat die Seile richtig zu setzen, zieht sie kurzerhand einfach ihr Oberteil aus und ihre wohlgeformten Brüste freuen bestimmt jeden im Raum.

Es ist eine natürliche Bewegungsfreudigkeit in ihr, nur als sie aufgehängt wird zieht es ihr am Fußgelenk und sie möchte sehr schnell wieder nach unten. Der Meister hat uns darauf hingewiesen, dass die Befindlichkeit eines Passiven das Wichtigste überhaupt ist. Immer soll der Aktive fragen, beobachten und mitfühlen, so vermeidet man gefährliche Situationen oder Verletzungen. Die Nächste, die gehängt wird, tut es so mit einer Ruhe und Entspanntheit, ganz im Hier und Jetzt. Ihre Partnerin macht ein Foto und sie wird wieder herunter gelassen. So geht es weiter zum vorletzten Paar, auch da läuft alles glatt. Und dann sind wir dran.

Wir gehen nach vorne aufs Podest und Felix befestigt das eigentliche Hängeseil an mir und durch den großen Ring, der am Deckenbalken befestigt ist. Meine Brille wird zur Seite gelegt und ich sehe nur noch Schemen um mich herum. Felix arbeitet ruhig und sicher und  die Bondagepartnerin unseres Kursleiters führt ihn durch jeden Schritt. Schließlich bin ich oben befestigt. Jetzt wird noch ein Seil an meinem Oberschenkel, oberhalb des rechten Knies festgemacht, da ich mich entschlossen habe seitlich, mit der linken Körperhälfte nach unten zu hängen. Er beginnt zu ziehen, jetzt muss ich nur noch meinen linken Fuß nach oben auf den rechten Fuß legen und ich schwebe, ich fliege…..ich bin ganz bei mir. Da sind nur noch die Seile und ich und eine riesengroße Freiheit. Es wird ganz hell in meinem Kopf, ein inneres Licht beginnt zu strahlen und ich strahle automatisch nach außen. Ist das schön!

Zum Ende brauche ich nur meinen linken Fuß wieder nach unten stellen und ich werde wieder herunter gelassen. Die Bondagefachfrau stützt mich etwas, damit ich die Balande nicht verliere und Felix kommt auch näher. Dankbar lehne ich mich an Felix und küsse ihn zärtlich, voll Hingabe.

Innerlich schwebe ich noch immer und grinse bestimmt ganz dämlich, aber ich kann nicht anders.

Alles was jetzt noch da vorne unter dem Balken passiert ist weiter weg:

Die junge Frau hängt nochmal mit dem Kopf nach unten, mit Hilfe des Meisters hat der junge Mann ihr eine Taillensuspension geknotet und ist sie jetzt sehr zufrieden, bewegt sich freudig durch die Luft und ihr Körper schwebt anmutig! Ein Aktiver, der vorher seine Partnerin schweben ließ, lässt sich noch aufhängen und schließlich die herzliche Verabschiedung vom Meister und der Meisterin.

Als wir wieder nach oben steigen, scheinen wir in einer anderen Welt anzukommen. Wir stellen gemeinsam fest, dass jetzt auch Juteseile in unseren Fundus müssen und unsere Baumwollseile mit Seele uns nicht mehr genügen. Ich erzähle von meinem inneren Licht und Felix sagt, er sei auch ein bisschen stolz, dass er das so hinbekommen hat und dass er gespannt sei, wann das Grinsen auf meinem Gesicht verschwinden würde.

Ich lächle immer noch!